WingTsun ist Selbstverteidigung
Das stimmt ganz sicher. Aus diesem Grund habe ich 1998 selbst damit begonnen.
Nachdem ich etliche Auseinandersetzungen beobachtet habe und einigen nur ganz knapp entkommen bin, wollte ich etwas lernen, was sehr direkt, realitätsbezogen und auch trotz meiner leichten körperlichen Beeinträchtigung (nach einem Autounfall) anwendbar ist. Zudem durfte Kraft nicht ausschlaggebend sein, denn davon hatte ich nicht wirklich viel .
WingTsun ist Arbeit an sich selbst
- Sehr oft habe ich mich zu Beginn über meinen steifen, ungelenkigen Körper und mich selbst geärgert, wenn ich Übungen, die bei anderen so einfach ausgesehen haben, nicht nachmachen konnte…
- Manchmal war ich verzweifelt, da ich die notwendige Lockerheit nicht einmal ansatzweise umsetzen konnte und so für die anderen immer ein “dankbarer” Übungspartner war, dem ohne große Anstrengung die Balance genommen wurde…
- Nicht nur einmal habe ich wegen meiner scheinbaren Begriffsstutzigkeit meinen Lehrer gefragt, ob ich der erste Mensch bin, der unfähig oder zu alt für WingTsun ist.
Dieser hat mir dann das große Geheimnis verraten: “Üben, üben, üben und niemals aufgeben!”
Die Konsequenz daraus: seit 2001 bin ich erfolgreich als hauptberuflicher WingTsun-Lehrer mit einer eigenen Schule selbstständig :-).
WingTsun ist lebensverändernd
Von meiner ersten Begegnung mit Großmeister Kernspecht ist mir ein Ausspruch von ihm in Erinnerung geblieben, mit dem ich zu Beginn nicht viel anfangen konnte: “…und seid vorsichtig, denn WingTsun ‘verdirbt’ den Charakter“.
„Was sollte denn das körperliche Training bzw. Selbstverteidigung mit dem Charakter zu tun haben? Ja sicher, im Fall des Falles nicht überreagieren und immer im Rahmen der Notwehr handeln, aber sonst?“
Heute lächle ich, wenn ich an damals denke, denn meine ursprüngliche Motivation, WingTsun zu erlernen und mich selbst schützen zu können, ist nur die erste, körperliche Ebene – und die ist relativ bald erreicht.
Je tiefer ich aber in WingTsun eingedrungen bin, umso mehr habe ich gespürt und für mich erkannt, was das wirklich Wichtige hinter dem Offensichtlichen ist – so durfte die zweite und dritte Ebene von WingTsun für mich entdecken.
Eine Veränderung ist eingetreten: zuerst nur in kleinen Schritten, fast unmerklich, nicht geplant oder gewollt und für mich selbst anfangs auch nicht erkennbar.
Erst Aussagen von Freunden wie “…du bist irgendwie anders…früher war dir das egal…warum machst du das jetzt nicht mehr…”, haben mich erkennen lassen, was passiert ist: durch das konstante Training und die kontinuierliche Beschäftigung mit dieser Kampfkunst haben sich mein eigenes Denken, meine Einstellungen sowie meine Sichtweise schleichend, doch umso gravierender verändert.
Speziell diese dritte Ebene ist immer wichtiger geworden – die Ebene, die sich nicht nach außen, sondern tief nach innen auf das eigene Selbst richtet.
Durch das Sich-Selbst-Bewusstwerden, Wahrnehmen und Annehmen von teils unbewussten Verhaltensmustern, Zwängen sowie von eigenen negativen Emotionen wie Wut, Aggression, Angst, Ungeduld, Scham, Zorn etc. auf mentaler Ebene ist es nämlich möglich, dass diese erkannt und somit auch transformiert werden können und schlussendlich innere Heilung stattfinden kann.
Nach über 15 Jahren kann ich Großmeister Kernspecht nur Recht geben: WingTsun verdirbt den Charakter, aber in einem absolut – für jeden individuell – positivem Sinne 🙂 .
Sifu Martin